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MONDAY October 15, 19h – 21h // Anja Manfredi, performativ analog

 

Der Körper als fotografische Langzeitbelichtung
Anja Manfredis Fotografie zwischen Bewegung und Einhalt von Astrid Peterle (Auszug)

(…) Manfredis Arbeiten der Serie Eine Geste wird belichtet (2011/12) gehen von zwei disziplinierenden Objekten aus. Die fotografische Posevorrichtung diente vor allem im 19. Jahrhundert dazu, Personen für die lange Dauer der Belichtungszeit ruhigzustellen. Im 16mm-Film Eine Geste wird belichtet, Teil 1 löst sich die Akteurin nach und nach tanzend von der Posevorrichtung. Nachdem Manfredi sich bereits einige Jahre zuvor mit historischen Tanznotationen beschäftigt hatte, entwickelte sie zu diesem Film eine eigene Form der Notation. Kader für Kader des analogen Materials wurde eingescannt und die einzelnen Fotografien schließlich als Grafik notiert – eine abstrakte Ordnung des Körpers in Raum und Zeit entstand,

der Einhalt und Bewegung fixiert und auch die Blickachsen der Akteurin festhält. Teil 2 der Serie widmet sich der Korsettschnürmaschine. Das Korsett galt über Jahrhunderte als Instrument eines Ideals von „Weiblichkeit“, das den Körper regulierte und dabei deformierte. Nachdem die Körper von Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Zwang des Korsetts befreit wurden, kehrte dieses als Fetisch zurück. Die Korsettschnürmaschine lässt die Frage offen, ob sie Instrument der Disziplinierung und/oder Instrument der Lust ist. Im Super-8-Film zu Eine Geste wird belichtet, Teil 2 entfernt sich die Akteurin ebenfalls vom Objekt. Auch hier nahm Manfredi das Filmmaterial als Basis für eine weiterführende Arbeit. Mit der Idee, Bewegung im fotografischen Bildraum zu visualisieren, warf die Künstlerin während der Belichtungszeit die Super-8-Film-Rollen auf das lichtempfindliche Fotopapier. Die so entstandenen Fotogramme vervielfachen die Schichten von Bewegung: Die spiralförmigen Lichtchoreografien enthalten in sich die Bewegungen der Filmakteurin, die an manchen Stellen durchleuchten. Zunächst erscheinen die Fotogramme in Kontrast zu den Notationen des 1. Teils als kontingente Fixierungen von Bewegung und Körpern. Bei näherer Betrachtung erweisen sich sowohl Notation als auch Fotogramm als Eingriff der Künstlerin in Raum und Zeit der Fotografie, der Bilder, der Bewegungen, als mehr oder weniger geordnete Zugriffe und Variationen auf den Körper als Ort der Disziplinierung und der Möglichkeit zugleich.

Eine Geste wird belichtet steht damit paradigmatisch für Manfredis künstlerische Praxis, in der ihr Medium, die Fotografie, und ihr zentrales Referenzobjekt, der Körpers, stets aufs Neue auf ihre historischen Konditionierungen und gegenwärtigen Handlungsspielräume befragt werden. Anja Manfredis Kunst erfasst so den „Körper als fotografische Langzeitbelichtung“: „Man könnte sagen, dass jeder Mensch, an jedem Tag und zu jeder Stunde belichtet wird, und das jedeR dafür verantwortlich ist, im Prozess für die Entwicklung, das Stoppbad und die Fixierung zu sorgen.“ (Manfredi 2012)

See also: http://www.anjamanfredi.com